Freitag, 13. Juni 2014

Haben Jungs öfter ADHS als Mädchen?

Wenn man sich die geschlechtsspezifische Verteilung von ADHS in Studien und Büchern anschaut, findet man Aussagen wie "Jungen sind drei Mal häufiger betroffen als Mädchen", "Das Verhältnis von betroffenen Jungen gegenüber Mädchen ist 6:1" usw. Ob Jungen nun drei Mal, vier Mal, sechs Mal oder gar neun Mal häufiger ADHS haben, darüber herrscht keine Einigkeit. Wohl aber darüber, dass sie insgesamt öfter betroffen sind als Mädchen. Aber wodurch kommt dieser (scheinbare) Unterschied zustande?

An den Genen kann es nicht liegen. Denn die Gene, die sehr wahrscheinlich an der Entstehung von ADHS beteiligt sind, liegen nicht auf den Geschlechtschromosomen.

Auch die Umwelteinflüsse können nicht Schuld sein, da diese für Jungen und Mädchen nicht grundlegend unterschiedlich sind. Dass einige in einer besseren Umgebung (familiäres Umfeld, soziale Situation, Schule usw.) aufwachsen als andere, liegt nicht an ihrem Geschlecht.

Forscher diskutieren darüber, ob ADHS bei Jungen und Mädchen unterschiedlich ausgeprägt ist und anders verläuft, und dadurch die verschiedenen Diagnoseraten zustande kommen. Dieser Ansatz lässt sich durch einige Studien und besser noch durch Beobachtung belegen.

Während bei Jungs mit ADHS sehr oft Hyperaktivität und Impulsivität im Vordergrund stehen, sind betroffene Mädchen oft die "Träumer". Leicht ablenkbar und unkonzentriert sind beide, jedoch fallen die Jungs schneller auf mit ihrem Verhalten. Wenn sie im Unterricht laut werden, herumlaufen, Streiche spielen und die ganze Klasse vom Arbeiten abhalten, steht der Lehrer vor einer Herausforderung. Nicht selten werden dann die Eltern zum Gespräch eingeladen und gebeten, mit ihrem Kind einmal beim Kinderpsychiater vorbei zu schauen. Weil das verträumte Mädchen nicht weiter auffällt und niemanden stört, bleibt ihr diese Prozedur (vorerst) erspart.

Jungen landen also viel häufiger beim Kinderpsychiater als Mädchen und werden deshalb auch öfter diagnostiziert. Durch einen Mangel an Zeit, Wissen und Interesse auf Seiten einiger Ärzte kommt es aber auch immer wieder zu leichtfertigen und falschen Diagnosen, was die Zahlen unnötig in Höhe treibt.

Was leider meist nicht bedacht wird, ist das Jungen und Mädchen generell ein anderes Naturell haben. Schon evolutionär bedingt, sind Jungs und Männer meist die Aktiveren, Mädchen und Frauen dagegen häuslicher und sozialer. Ausnahmen bestätigen die Regel. Im Großteil der Menschheitsgeschichte war es üblich, dass der Mann die Welt erobert, in Kämpfen besteht, seine Familie ernährt und zuhause das Sagen hat. Auch wenn unsere moderne Welt (zumindest in unseren Breiten) nicht mehr nach diesen Mustern funktioniert, steckt die alte Geschichte dennoch in unseren Genen. Und auch heute wollen Männer sich noch beweisen, auf eine andere Art als Frauen das tun. Sie wollen imponieren und Stärke zeigen, und gehen dafür viel eher Risiken ein als Frauen. Das gilt natürlich nicht nur für ADHSler. Viele Verhaltensweisen eines "typischen Machos" decken sich mit den ADHS-Symptomen. Aber dennoch hat nicht jeder Macho ADHS. Schließlich spielt auch das männliche Geschlechtshormon Testosteron eine nicht unbedeutende Rolle für das Verhalten.

Aufgrund dieser vielen Faktoren, die das menschliche Verhalten beeinflussen, ist es wichtig, bei der Diagnosestellung sehr gründlich zu sein.

Interessanterweise ergab eine repräsentative Stichprobe aus Deutschland, dass die Häufigkeit von ADHS im Erwachsenenalter relativ ausgeglichen ist. Zwischen 18 und 64 Jahren sind demnach 4,8 % der Frauen und 4,6 % der Männer betroffen. Wie passt das mit den Daten der Kinder zusammen?

Es ist nachgewiesen, dass Frauen deutlich häufiger psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen als Männer. Während sie in der Schulzeit bei vorgegebenen Strukturen noch halbwegs gut "funktioniert" haben, bekommen viele Frauen mit ADHS später Probleme, ihr Leben zu organisieren. Arbeit, Haushalt, Kinder - alles muss irgendwie bewältigt werden. Einige Frauen rutschen dabei ab in Depressionen, Burn Out oder andere psychische Erkrankungen, bevor ein Psychiater als eigentliche Ursache ihr ADHS entdeckt (wenn er es denn überhaupt entdeckt).
 

1 Kommentar:

  1. Gene die nicht auf dem Geschlechtschromosomen liegen können sehr wohl geschlechtsspezifisch aktiv sein. Dies geschieht bei Jungen/Männern durch die Ausschüttung von Hormonen des Hodens. Dadurch können Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden. Es liegt eigentlich nahe das solche Veränderungen zwischen den Geschlechter die Regel sind.

    Gerade Jungen zeigen sich sehr interessiert an allem was mechanisch, groß oder angesehen in der Gesellschaft ist. Während Mädchen fast immer eine sehr gute Entwicklung im Bereich der Selbstkontrolle, Empathie, Feinmotorik usw. aufweisen können. Diesen einseitigen Fokus der Hirnentwicklungen haben wir vermutlich der Evolution zu verdanken und der Tatsache, dass Männer und Frauen eine Arbeitsteilung besaßen.

    Es ist nicht allzu verwunderlich, dass Mädchen weniger Verhaltensstörungen als Jungen aufweisen, da sie evtl. genetische Dispositionen besser kompensieren können. Auch ist es auffällig, dass Frauen im Erwachsenenalter öfter zum Psychologen gehen. Dies deckt sich mit der Tatsache, dass Frauen im Allg. öfter zum Arzt gehen und gleichzeitig eine höhere Gesundheit haben.
    Frauen nehmen gesundheitliche Probleme früher wahr und handeln schneller, dadurch entsteht der Eindruck, dass sie öfter krank sind. Der Blick in die durchschnittliche Lebenserwartung zeigt jedoch, dass sie mit 6 Jahren Vorsprung vor den Männern liegen.

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