Der Dortmunder Kevin Großkreutz gehört ohne Frage zu den Fußballern der besonderen Art. Mit großem Talent und einem noch größeren Willen schaffte er es von der geliebten Südtribüne des BVB bis auf den Rasen zu den Profis. Er glänzte bereits in der Champions League und ließ sich weder von einer gebrochenen Nase noch von einem entzündeten Weisheitszahn aufhalten. Wenn andere längst einpacken würden, bringt Großkreutz noch immer Bestleistungen. Und das Lob vom Trainer wirkt auf ihn mehr als das beste Schmerzmittel
Der 25-Jährige ist emotional und steht dazu. Im Interview mit 11Freunde sagte er: „Wer auf dem Platz keine Emotionen zeigen will, braucht
nicht Fußball zu spielen“. Und doch wird ihm genau diese Eigenschaft in letzter
Zeit immer wieder zum Verhängnis. Erst vor wenigen Wochen hatte Großkreutz einen Köln-Fan mit einem Döner beworfen, weil der ihn angeblich beleidigt hatte. Ein
Strafverfahren wurde eingeleitet. Doch inzwischen folgte bereits der nächste
Eklat des Dortmunders nach dem verlorenen DFB-Pokalfinale in Berlin. Er hatte
die Niederlage nicht verkraftet, seine Trauer in Alkohol versenkt und sich dann im Hotel daneben benommen. Die Folgen: eine hohe Geldstrafe vom BVB, ernste
Worte vom Bundestrainer und, was wohl am längsten nachwirkt, ein schlechtes
Bild in der Öffentlichkeit. Das liegt vor allem daran, dass keiner nach den tieferen
Ursachen von Großkreutz´ Verhalten fragt.
Oliver Bierhoff (Manager der deutschen Nationalmannschaft) stellte
immerhin fest, dass der Dortmunder noch jung sei und lernen müsse, "manchmal
sein Temperament, seine Impulsivität, also genau die Eigenschaften, die ihn beim
Fußballspielen ausmachen, außerhalb des Feldes besser zu kontrollieren."
Aber kann er das alleine überhaupt schaffen? Was ist, wenn dieses Verhalten
nicht an seinem Alter sondern an seiner Persönlichkeit liegt?
Immerhin erfüllt Kevin Großkreutz ganz offensichtlich einige
ADHS-Kriterien: Er ist über-ehrgeizig, voller Energie, emotional, risikobereit,
impulsiv, leicht provozierbar, aber auch sehr sozial. 2013 übernahm er das Amt
von Rudi Assauer als ehrenamtlicher Botschafter der Solidarfonds-Stiftung NRW.
Sein Vater, Martin Großkreutz, sagt über ihn: „Der Kevin war
als Kind schon verrückt.“ Natürlich meint er das nicht böse, sondern beschreibt
damit viel mehr, wie vernarrt sein Sohn schon damals in den BVB war. Wenn aber etwas
gegen seinen Willen ging, reagierte der junge Fußballer schon damals trotzig. „Wenn
früher mal wegen schlechten Wetters das Training ausgefallen ist, hat der Kevin
geheult wie ein Schlosshund.“, sagt sein Vater. Dann hätte er sich den Ball
genommen und stundenlang allein im Garten gekickt.
Inzwischen zählt Kevin Großkreutz zu den ganz Großen im deutschen Fußball und wird sehr wahrscheinlich mit zur WM nach Brasilien fahren.
Aber vielleicht gehört er nebenbei auch zu den rund 20 Bundesligaspielern mit
ADHS, die es bei einer Prävalenz von ca. 5 Prozent mindestens geben müsste.*
Dann bräuchte er auf jeden Fall mehr Verständnis und Unterstützung von seinen
Mitspielern, Trainern und Betreuern, besonders in heiklen Situationen. Wenn man
ihm das gewährt, kann Großkreutz sich wieder voll und ganz auf das konzentrieren,
was er am besten kann: Fußball spielen.
* Überschlagsrechnung ausgehend von 23 Spielern pro Team in den
18 Mannschaften der 1. Bundesliga, also 414 Spieler.
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